Queere und feministische Psychologie

Als ich das letzte Mal vor dem Hauptgebäude der Universität zu Köln stand und auf den Vortrag von Judith Butler wartete, ging diese keine zwei Meter von mir entfernt an mir vorbei. Ich hielt den Atem an und mein Herz vollführte einen Hüpfer. Heute, auf dem Weg zur Tagung Feministische und Queere Perspektiven für die Psychologie II, erinnere ich mich an diesen Moment und bin gespannt, was mich erwartet. 

Eindrücke von der Tagung Feministische und queere Perspektiven für die Psychologie II

Weder in Deutschland noch in Österreich gehören feministische und queere Inhalte selbstverständlich zum Curriculum der Psychologischen Fakultäten. Interessant ist das, weil gerade die Psychologie auf sexuelle und körperliche ›Störungen‹ abhebt und dennoch kaum kritisch-reflexive Theorie- wie Forschungsansätze in den Diskurs aufnimmt.

»Jeder Blick ist ein gesetzter Blick.« (Foucault 1983)

Der Vortrag von Helga Krüger-Kirn, Psychologin, setzte sich mit dekonstruktivistischen Theorieansätzen auseinander und verband sie mit den Konzepten der Psychoanalyse. Die Vortragende argumentiert wider die Trennung von Geist und Körper. Ihre Dissertation wurde damals mit den Worten abgelehnt »Feminismus hatten wir doch schon.« Sie solle lieber ein Buch schreiben. Nun ja, so viel zum Interesse der psychologischen Disziplin an feministischen und queeren Perspektiven. Am Ende dissertierte Frau Krüger-Kirn an der soziologischen und pädagogischen Fakultät. 

Letztlich leite sich der Gegenstand der Forscher_in nicht vom Forschungssubjekt ab, sondern von der Forschungsfrage. Deshalb müsse auch hier eine dekonstruktivistische Perspektive eingenommen werden: Ich ist Nicht-Ich. Ich ist ein ›Anderer‹. Mitunter sei dieses Nicht-Ich aber mit den hegemonialen Diskurskategorien nicht zu erfassen, weshalb die Psychoanalyse beispielsweise versuche, in Analogie zum Bewussten und Unbewussten, das Nicht-Diskursive und Nicht-Sprachliche sichtbar werden zu lassen, über Sprache erfahrbar zu machen.

Denken in Differenzen: Intersektionalität und Feminismus

Intersektionalität war das Thema des Vortrags von Fiona Kalkstein. Sie forscht zu weißem Feminismus und seiner historischen Entwicklung. Seit den Nullerjahren des zweiten Jahrtausends halte das Konzept der Intersektionalität erstmals Einzug in akademische Debatten, verbunden mit der Forderung, jegliche Formen der sozialen Kategorisierung in den Wissenschaftsdiskurs aufzunehmen.

Mit dem Linguistic Turn der 1990er Jahre rückten kulturtheoretische Forschungsansätze in den Blick und es kam zur Abkehr von ausschließlich sozialstrukturellen Analysen. Dadurch konnten innerhalb des Feminismus erstmals auch andere Ausgrenzungsformen thematisiert werden, beispielsweise Diskriminierungen aufgrund von race, class oder religion. Menschen, hier vor allem Frauen, sollten in ihrer Vielfalt erkannt werden und damit die Typologisierung von Minorisierten theoretisch wie materialisistisch kritisiert werden.

Es gebe schließlich mannigfaltige Diskriminierungs- und Marginalisierungsformen. Intersektionalität mache auf diese aufmerksam, indem sie interdisziplinär, machtkritisch und postkolonial argumentiere. Tom Uhlig betonte in seinem Vortrag, die Realisierung des intersektionalen Denkansatzes sei deshalb so kompliziert, weil einzelne Diskriminierungsformen ihrer eigenen Logik folgen, die allzu gerne leichtfertig vermischt und dadurch andere Diskriminierungserfahrungen produzieren würden. Debatten jenseits von antisemitischen Ressentiments könne führen, wer die drei Ds beachte: Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung.

A_Sexualität: Subjektivierungsweisen jenseits von Allonormativität

Annika Spahn ist Soziologin und forscht zum Thema A_Sexualität. In ihrer Analyse stehen sich Allosexualität (Menschen mit sexuellem Interesse) und A_Sexualität (Menschen ohne sexuelles Interesse) gegenüber. Zwischen beiden Formen der Sexualität gebe es ein breites Spektrum. A_Sexualität sei daher eine Form unter vielen, die nicht notwendigerweise im heteronormativen Praktiken verbunden sei.

A_sexuelle Menschen würden sowohl vom feministisch-queeren Diskurs als auch in heteronormativen Diskursen ausgeschlossen, weil ihr Begehren per se „unnatürlich“ und »unmenschlich« sei. Daher sei es für a_sexuelle Menschen ungleich schwieriger, als Subjekte in Erscheinung zu treten. Die allonormativistische Forderung »Sage mir, wen du liebst, und ich sage dir, wer du bist.« greift schlichtweg ins Leere, weil das Konzept Liebe mit sexuellen Handlungen verbunden ist und nicht losgelöst von diesen gedacht werden kann.

Menschen ohne Begehren gelten den mehrheitlich allosexuellen Anderen als suspekt. Es dürfte interessant sein, wie sich Subjekte außerhalb allonormativer Kategorien positionieren und welche Subjektivierungsweisen überhaupt genutzt werden können. Sind a_sexuelle Menschen vom Diktat der Sexualität ›befreit‹, befinden sie sich jenseits sexueller Identitätskrisen?