Qualitative Forschungsdesigns setzen auf die Generierung von Hypothesen, ohne vorab mit starren Fragenkorsetts an das Untersuchungsthema heranzutreten. Gemäß des Prinzips der Offenheit bezüglich des Forschungsgegenstandes und der Ergebnisse lassen sich die sozialen Phänomene dann aus der ihnen inhärenten Logik heraus erschließen.
Ziel der qualitativen Sozialforschung ist es, für »das Neue im Untersuchten, das Unbekannte im scheinbar Bekannten offen« [1] zu sein.
Räume gehören zweifelsohne zu einem altbekannten, aber wenig erforschten Phänomen. Ihre Konstruktionsbedingungen kommen der qualitativen Sozialforschung insofern entgegen, da angenommen werden muss, dass der ihnen eigene »Prozesscharakter, die Reflexivität und Rekursivität sozialer Wirklichkeit« [2] im Forschungsdesign widergespiegelt werden.
Erhebungsmethoden auswählen
Da es zur Raumanalyse kaum methodische Studien gibt, muss ein Zugang gewählt werden, der möglichst gegenstandsangemessene Daten liefert. Es empfiehlt sich daher auf Verfahren der teilnehmenden Beobachtung (fokussierte Ethnographie) und des leitfadengestützten Interviews zu bauen, um der Vielfalt des Raums Rechnung zu tragen. Beiden reaktiven Verfahren ist gemein, dass sie den Zugang zu
»Lebenswelten ‚von innen heraus‘ aus der Sicht der handelnden Menschen […] beschreiben […] [, damit] zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen.« [3]
Unschlagbar: Methodenmix
Um die Unsicherheit auszugleichen, ob die erhobenen Daten auch zu der beabsichtigten gegenstandsangemessenen Datenvielfalt führen, ist eine Variante der Methoden-Triangulation hilfreich, die sich »Between-Method-Triangulation« nennt.
Hierbei werden »reaktive Verfahren […], bei denen Forscher Teil der Untersuchungssituation sind […] mit nicht-reaktiven Verfahren […], d.h. Daten, die nicht für die Forschung erstellt wurden« [4], kombiniert.
Zu den unterschiedlichen Datentypen gehören
Feldnotizen
Interviewtranskripte
rechtliche Dokumente über das Feld und
Dokumente aus dem Feld.
Während Dokumente entweder frei verfügbar im Internet heruntergeladen werden können oder durch Akteur_innen im Feld als Kopien bereitgestellt werden, entstehen Feldnotizen während eines meist mehrtägigen Feldaufenthaltes.
Fokussierte Ethnografie
Die Erhebungsmethode der fokussierten Ethnografie bietet sich an, um die Prozesshaftigkeit räumlicher Konstruktionsprozesse mithilfe ethnomethodologischer Forschungsansätze zu ›fixieren‹. Darüber hinaus erhalten ethnografische Methoden die Natürlichkeit nicht nur der Daten selbst, sondern veranschaulichen zudem,
»daß das Problem, das sie [die Wissenschaftler] untersuchen, nicht von außen herangetragen ist, sondern von den Beteiligten selbst behandelt wird.« [5]
Zu den wesentlichsten Merkmalen der fokussierten Ethnografie gehören unter anderem
kurze intensive Feldaufenthalte und
die Fokussierung auf einen bestimmten Teilbereich des Feldes.
Die in den Feldnotizen festgehaltenen Beobachtungen konzentrieren sich weniger auf das – nur durch einen langen Feldaufenthalt ermöglichte – Insider-Wissen der Akteur_innen, sondern erlauben es, Hintergrundwissen zum interessierenden Forschungsschwerpunkt zu sammeln. [6] Im Gegensatz zu der üblichen Vorgehensweise bei einer fokussierten Ethnografie muss jedoch nicht mit technischen Aufzeichnungsmitteln gearbeitet werden.
Teilstandardisiertes Interview
Mithilfe des durch die Feldphase gesammelten Hintergrundwissens – das notwendig ist, um die sprachlichen und thematischen Besonderheiten des Feldes überhaupt greifbar zu machen – wird das vorab erstellte Leitfadeninterview an die Problemstellungen, welche durch die Akteur_innen angesprochen werden, angepasst.
Dieses Vorgehen korrespondiert stark mit dem in der qualitativen Forschungspraxis gewünschten Prinzip der Zirkularität von Erhebungs- und Auswertungsmethoden.
Denn schon in der Erhebungsphase tauchen konkrete Fragestellungen und vermeintliche Kategorien auf, die bei der späteren Analyse an Bedeutung gewinnen konnten.
Das in der Beobachtung erfasste Spezialwissen der Akteur_innen wird also direkt zum Untersuchungsschwerpunkt bei der Suche nach Konstruktionsprinzipien und Strukturierungsmerkmalen des Raums.
Die Interviews werden mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und für die spätere Auswertung transkribiert. Dabei kann die Verschriftlichung nach dem Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem 2 (GAT 2) erfolgen.
[1] Flick, Uwe/Kardorff, Ernst von/Steinke, Ines: Was ist qualitative Forschung? Einleitung und Überblick, in: dies. (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg 2007, S. 17. [2] Flick, Uwe/Kardorff, Ernst von/Steinke, Ines: Was ist qualitative Forschung? Einleitung und Überblick, in: dies. (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg 2007, S. 20. [3] Ebd., S. 14. [4] Flick, Uwe: Triangulation in der qualitative Forschung, in: Flick, Uwe/Kardorff, Ernst von/Steinke, Ines: (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg 2007, S. 313. [5] Knoblauch, Hubert: Fokussierte Ethnographie, in: Kutzner, Stefan/Maiwald, Kai-Olaf/Sutter, Hansjörg/Wernet, Andreas (Hg.): Sozialer Sinn, Heft 1/2001, Stuttgart: Lucius & Lucius, S. 134. [6] Vgl. Ebd., S. 129-141.
Diese Website benutzt nur notwendige Cookies. Wenn Sie die Website weiter nutzen, gehe ich von Ihrem Einverständnis aus.OKDatenschutzerklärung