Einführung in Michel Foucaults Denken

In der Theorie Michel Foucaults spielen die Begriffe Wissen und Macht sowie Subjekt und Wahrheit eine zentrale Rolle. Sie dienen der Beschreibung gesellschaftlicher und historischer Problematisierungsformen oder -weisen, mit denen sich eine Gesellschaft bestimmten Ereignissen oder Erscheinungen zuwendet. Insbesondere mit den Körpern (und der Sexualität) beschäftigt sich Foucault ausführlich und erläutert, wie diese als Produkte einer kontingenten Praxis in Erscheinung treten konnten.

Diskursformationen

Ihm zufolge wird ein gesellschaftsrelevantes Phänomen wie Körper durch den Entwicklungsprozess eines sich wandelnden Blicks verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und der damit einhergehenden alltagswissenschaftlichen Beschäftigung verändert. Zudem wird es als Ergebnis einer Benennungs- oder Bearbeitungspraxis erst erzeugt. Diese Konstruktionsprozesse setzen sich in der Geschichte des Wissens schließlich so weit fort, bis ein gänzlich neues Phänomen oder gar ein neuer Körper entsteht.
Foucaults wissenschaftliches Erkenntnisinteresse richtet sich demgemäß an Problematisierungsformen aus (bspw. Problematisierung des Körpers als Fortpflanzungsinstrument, als Arbeitsmittel oder als Repräsentationsfläche), die er in ihrer genealogischen Entstehungsgeschichte zu beschreiben und einem Archäologen gleich festzuhalten sucht. [1]

Produktionsweisen von Wissen

Vor allem die Humanwissenschaften macht Foucault für die Entwicklung und Verbreitung bestimmter Problematisierungsweisen verantwortlich [2], weil sich an ihnen die Verbindung von Wissen und Macht besonders nachvollziehbar veranschaulichen lasse [3].
Ihr Einfluss sei bis in die Gegenwart hinein deutlich zu spüren. Besonderes Augenmerk lenkt er dabei auf Institutionen des Wissens, die zugleich als Institutionen der Macht fungieren.
Zu ihnen gehören bspw. das Gefängnis, die Psychiatrie, die Schule oder die Familie [4]. Aufgrund ihrer enormen Definitionsmacht gilt es, diese Institutionen nicht nur in ihren Zielen und Zwecken zu hinterfragen, sondern sie dazu aufzufordern, sich einer kritischen Auseinandersetzung insbesondere in Hinblick auf ihre eigene Entstehungsgeschichte zu stellen.
Mithilfe spezifischer Strategien der Sichtbarmachung definieren sie bestimmte (Erkenntnis-)Objekte und grenzen dadurch das vermeintlich Normale vom scheinbar Anormalen ab.
Binäre Codierungen (weiblich/männlich, nützlich/nutzlos usw.) sorgen überdies für die Ordnung der sozialen Welt.

Subversives Potenzial

Phänomene variieren also, sobald sich die Denkweise über sie ändert, je nachdem, welche wissenschaftliche Praxis bzw. welcher »Stil des Denkens« [5] sich an der Diskursivierung des jeweiligen Phänomens abarbeitet:
»Ändert sich der Diskurs, ändert der Gegenstand nicht nur seine Bedeutung, sondern er wird quasi zu einem anderen Gegenstand, er verliert seine bisherige Identität.« [6]
Deshalb kann nach Foucault unter anderem in Bezug auf Körper keine universell gültige Wahrheit postuliert, sondern lediglich von einer Geschichte der Erzeugungspraktiken einer Wahrheit über die Körper gesprochen werden.

[1] In seinen Schriften beschäftigt sich Foucault zunächst mit der Archäologie des Wissens (1969), bevor er diese als unzureichende Methode verwirft und sich im Weiteren der Genealogie der Macht zuwendet (vgl. Ruoff, Michael (2007): Foucault-Lexikon, Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, S. 35). An dieser Stelle soll auf beide Herangehensweisen hingewiesen werden, denn die Idee der Autonomie der Diskurse bereitet das Verständnis der Strategien der Macht vor.
[2] Humanwissenschaften sind all jene wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit dem Wesen des Menschen auseinandersetzen. Größtenteils nutzen sie für ihre Erkenntnisgenerierung und die Verbreitung ihres Wissens naturwissenschaftliche Methoden, die der Sichtbarkeit und Quantifizierbarkeit dienen (bspw. die Methoden der Mathematik/Statistik).
[3] Vgl. Foucault, Michel (1977): Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit, Band 1, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 37.
[4] Vgl. Ruoff 2007, S. 126ff.
[5] Fleck, Ludwik (1983): Schauen, sehen, wissen, in: Ders. (Hrsg.): Erfahrung und Tatsache, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 147-175, S. 157.
[6] Jäger, Siegfried (2001): Dispositiv, in: Marcus S. Kleiner (Hrsg.): Michel Foucault. Eine Einführung in sein Denken, Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag, S. 72-89, S. 79.