Du hast ein Seminar besucht und sollst nun eine Hausarbeit schreiben. Deine Dozent_in hat dir aber kein Thema vorgegeben. Du musst dir also selbst eines aussuchen. Doch wie stellst du das bloß an?
Die sechs Phasen auf dem Weg zur Abgabe
Diese Fragen machen dir vielleicht Angst und du hast schon jetzt die Lust am Schreiben der Hausarbeit verloren. Und du hast recht: Das Schreiben einer Hausarbeit ist ein komplexer Vorgang. Aber mit ein wenig Übung und ein paar einfachen Grundregeln wird es dir bald mühelos gelingen.
Gehe nochmals alle Texte, die du im Seminar lesen solltest, genau durch. Hast du eventuell Notizen gemacht, in denen du bereits eine interessante Fragestellung formuliert hast? Wenn nicht, dann beginne jetzt damit, dir Notizen zum jeweiligen Text zu machen.
Notiere maximal fünf Schlüsselbegriffe pro Text.
Fertige – am besten schon im Seminar – Exzerpte der Texte an, die du gelesen hast. So entsteht ein erster Korpus deiner Wissenssammlung. Das Exzerpt sollte die (Haupt-)Thesen des Textes enthalten. Fasse dazu möglichst kurz, also stichpunktartig, die wichtigsten Aussagen der Autor_in zusammen.
Welche Konzepte und Begriffe tauchen wiederholt auf?
Werden in der Literatur Fragestellungen formuliert?
Welche Bücher werden im Literurverzeichnis genannt? Welches davon hört sich spannend an?
Notiere dir auch schon einmal aussagekräftige Zitate.
Vergiss nicht, die Seitenzahl dazuzuschreiben. Dann hast du es beim Schreiben der Hausarbeit einfacher, die Zitate und Vergleiche der entsprechenden Quelle zuzuordnen. Aussagekräftig sind Zitate, wenn sie
Nachdem du nun alle Schlüsselbegriffe gesichtet hast, beginne damit, sie nach deinen Interessen zu sortieren. Lege alles, was dich nicht interessiert, beiseite.
Behalte nur die Gedanken, die für dich wertvoll sind.
Welche Gedanken regen dich selbst zum Nachdenken an?
Welche Fragestellungen interessieren auch dich?
Worüber würdest du gerne mehr erfahren?
Hast du dir maximal fünf Schlüsselbegriffe ausgesucht? Dann geht es nun darum, das Wissen darüber zu erweitern. Geh in die Bibliothek oder ins Netz und beginne mit der Suche nach den von dir ausgewählten Schlagwörtern. Lies so viel Literatur wie nötig, um die Schlüsselbegriffe definieren zu können!
Wähle nur Bücher oder Zeitschriften aus, die sich explizit mit deinem Thema beschäftigen.
Welche Autor_innen arbeiten mit dem Konzept?
Welchen theoretischen Hintergrund haben die Begriffe?
Wozu werden sie verwendet und was lässt sich mit ihnen erforschen?
Schau dir unbedingt auch immer das Inhaltsverzeichnis an. Denn auch wenn das Buch an sich nicht genau dein Thema trifft, wird dein Thema eventuell in einem Unterkapitel behandelt. Du brauchst nicht das komplette Buch lesen, um es als Quelle angeben zu dürfen. Es genügt, wenn du das für dein Thema passende Kapitel gefunden und gelesen hast.
Vergiss nicht, dir Notizen zu machen. Die Notizen sollten immer die korrekte Quelle angeben, also Autor_in, Jahr, Verlag, Ort, Seite.
Eventuell stößt du anhand der Lektüre auf ein weiteres Konzept oder einen anderen Schlüsselbegriff, der für die Bearbeitung des Themas relevant ist. Notiere ihn und beginne erneut mit der Literaturrecherche.
Konkretisieren
Schritt 3: Fragestellung formulieren
Du hast mittlerweile einiges an Wissen gesammelt und bist bereit, die Fragestellung zu formulieren. Wähle dazu maximal drei Schlüsselbegriffe aus der Sammlung aus und bringe sie in einen logischen Zusammenhang.
Verknüpfe maximal drei Schlüsselbegriffe in der Fragestellung.
In der Soziologie, aber auch in anderen geisteswissenschaftlichen Fächern geht es zumeist darum, das Wie eines Sachverhalts herauszufinden. Wenn du deine Fragestellung nach folgendem Muster aufbaust, lässt sie sich als Blaupause für viele verschiedene Themenbereiche nutzen. Sie kann dir als Vorlage dienen.
Wie + Schlüsselbegriff + Forschungsfeld / -gegenstand ?
Diese Frageform enthält einen Dreischritt:
Zunächst stellst du die Frage nach der Funktionsweise, also dem Wie eines Sachverhalts oder eines Prozesses.
Anschließend erweiterst du diese Frage um einen konkreten Gegenstand bzw. grenzt sie auf ein Feld ein.
Aus Punkt 1 und 2 ergeben sich dann automatisch weitere Fragen. Sie führen dich immer näher an die Gliederung heran.
Mit diesem Vorgehen kannst du beispielsweise folgende Fragestellungen entwickeln:
Erstens: Stelle die Frage nach dem Wie eines Schlüsselbegriffs.
Wie funktioniert soziale Interaktion?
Auf welche Art und Weise werden Menschen diskriminiert?
Wie entsteht eine soziale Bewegung?
Wie du siehst, sind diese Fragen noch sehr allgemein formuliert. Du kannst sie konkretisieren, indem du dein Forschungsfeld näher eingrenzt.
Zweitens: Ergänze die Frage um einen konkreten Forschungsgegenstand.
Wie funktioniert soziale Interaktion im Fußballstadion?
Auf welche Art und Weise werden Menschen mit Behinderung diskriminiert?
Wie entsteht eine soziale Bewegung in einem diktatorischen Staat?
Wenn du nach diesem Muster vorgehst, hast du bereits zwei Schlüsselkonzepte aufgegriffen. Du kannst es an diesem Punkt dabei belassen oder aber noch ein drittes Konzept hinzunehmen.
Für Hausarbeiten mit einem Seitenumfang von maximal 20 Seiten genügt das aber erst einmal, denn rund um diese beiden Begriffe gibt es viele weitere Fragen zu klären.
Drittens: Notiere dir ergänzende Fragen zu den beiden Schlüsselbegriffen.
Wie funktioniert soziale Interaktion im Fußballstadion?
Wie ist soziale Interaktion definiert? Nenne bedeutende Autor_innen und Anwendungsfelder.
Wodurch ist das Fußballstadion gekennzeichnet? Welche Personen(-gruppen) spielen dort eine Rolle?
Auf welche Art und Weise werden Menschen mit Behinderung diskriminiert?
Wie ist Behinderung definiert? Wer wird behindert?
Was bedeutet Diskriminierung? Wer ist aktiv, wer passiv an diesem Prozess beteiligt?
Wie entsteht eine soziale Bewegung in einem diktatorischen Staat?
Was ist eine soziale Bewegung? Welche Arten von sozialen Bewegungen gibt es?
Wie ist eine Diktatur definiert? Worin unterscheidet sie sich von anderen Staatsformen?
Sortieren
Die Fragestellung steht. Aus ihr ergibt sich der ungefähre Fahrplan für die Erstellung deines Textes. Denn die Fragestellung gibt dir eine erste grobe Gliederung vor.
Schritt 4: Wissenssammlung verfeinern
Jetzt gilt es, das Wissen zur Beantwortung der Fragen zu verfeinern. Du musst dich also nochmals mit der Literatur auseinandersetzen. Gehe genauso wie bei der ersten Literaturrecherche vor. Aber nun brauchst du keine neuen Schlüsselbegriffe mehr zu suchen, sondern kannst dich voll und ganz auf die zwei (oder drei) konzentrieren, die du dir ausgesucht hast.
Lies nur die Autor_innen und Texte, die mit deinen Schlüsselbegriffen arbeiten.
Nachdem du eine konkrete Fragestellung formuliert hast, kannst du noch gezielter nach passender Literatur suchen. Orientiere dich bei der Literaturrecherche auf deine Schlüsselkonzepte.
Alle Gedanken, die du beim Lesen entwickelst, solltest du auf einem extra Blatt oder in einer eigens dafür vorgesehenen Datei dokumentieren. Beginne auch schon einmal nebenbei damit, weitere Unterpunkte für die Gliederung aufzuschreiben.
Schritt 5: Gliederung erstellen
Das Inhaltsverzeichnis wächst mit dem Text. Zum Anfang braucht es nicht mehr als fünf Überschriften. Hier ein Beispiel für einen klassischen Textaufbau:
Einleitung
Konzept 1 (Behinderung)
Konzept 2 (Diskriminierung)
Zusammenführung (Beantwortung der Fragestellung)
Fazit
Literatur
Im Laufe der Literaturrecherche fügen sich die Fäden langsam zusammen. Ob du genug gelesen hast, merkst du daran, dass die Gliederung deiner Hausarbeit immer länger wird. Vielleicht fängst du gerade an, einen weiteren Schlüsselbegriff zu erforschen? Lass das! Bleib bei deiner Forschungsfrage und unterbrich deine Lektüre.
Ergänze deine Gliederung mit dem Wissen über die einzelnen Begriffe. Die Gliederung könnte nun so aussehen:
Einleitung
Behinderung (Konzept 1) 2.1 Soziales und medizinisches Modell 2.2 Praktiken der Behinderung
Diskriminierung (Konzept 2) 3.1 Formen der Diskriminierung 3.2 Entmachtung und Herabsetzung
Behinderung als Ausschlusskriterium (Beantwortung der Fragestellung) 4.1 Abwertungsmechanismen 4.2 Gegenstrategien
Fazit
Literatur
Schau dir deine Gliederung erneut an und beantworte folgende Fragen:
Welche Unterkapitel sind notwendig, damit die Leser_innen das Wie verstehen?
Welche Kapitel haben zu viele Unterkapitel?
Ist es notwendig, doch noch ein drittes Konzept aufzunehmen?
Wenn du mit der Formulierung von Überschriften Probleme hast oder weitere Tipps zur Erstellung der Gliederung benötigst, schau dir diese Blogbeiträge an:
Schreiben
Schritt 6: Einleitung schreiben
Formuliere in mindestens zehn Sätzen, was du in der Hausarbeit machen wirst. Benutze dazu deine Gliederung.
Wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, hat der Schreibprozess schon lange vor dem Schreiben des ersten Wortes begonnen. Du brauchst dich also nicht mehr zu fürchten, denn die meiste Arbeit liegt eigentlich schon hinter dir.
Trotzdem haben manche Menschen Probleme, in das tatsächliche Schreiben hineinzukommen. Das liegt daran, dass wir es nicht gewohnt sind, unsere Gedanken auszuformulieren. Wenn wir denken, springen wir ständig hin und her, verweilen kurz bei einem Gedanken und denken dann schnell noch einen anderen weiter.
Das ist beim Schreiben anders. Wenn wir schreiben, müssen wir versuchen, die Gedanken festzuhalten. Wir schreiben sie fest und zwingen sie in eine bestimmte Form. Und das ist nicht leicht. Besonders dann nicht, wenn das Geschriebene auch noch Sinn ergeben soll. Doch keine Panik. Du kannst dich ganz langsam an den Text herantasten.
Zunächst aber zur Einleitung:
Beschreibe, wie du an den aktuellen Punkt im Denkprozess gelangt bist.
Das klingt etwas esotherisch, ist aber ganz logisch: Als Einstieg in die Einleitung kannst du zunächst einmal erläutern, wie du dich dem Thema theoretisch genähert hast.
Welchen Schlüsselbegriff hast du zuerst ›entdeckt‹?
Über welchen Schlüsselbegriff bist du gestolpert und warum?
Warum ist das Thema für dich interessant?
Für wen ist das Thema von Bedeutung?
Anschließend beschreibst du dein Vorgehen:
Welche Konzepte sind relevant? Wie wirst du sie aufbereiten?
Welche Theoretiker_innen haben das Thema bereits bearbeitet?
Welche Lücken im Forschungsfeld gibt es?
Dann kannst du noch erklären, wie deine Fragestellung lautet. Abschließend kannst du noch einen kurzen Blick auf mögliche Ergebnisse deiner Überlegungen lenken. Und dann geht’s auch schon weiter mit dem Schreiben der Hausarbeit.
Schritt 7: Kapitel schreiben
Fasse deine Exzerpte, Notizen und Gedanken in Worte.
Einfacher gesagt, als getan. 😉 Ja, Schreiben ist ein Prozess, der in Schleifen verläuft und teilweise sehr lange dauern kann. Es kommt ganz darauf an, welcher Schreibtyp du bist. Es gibt chaotische und strukturierte Typen. Beide kommen am Ende auf ein gutes Ergebnis, aber der Weg dorthin unterscheidet sich. Welcher Typ du bist, kann ich nicht sagen. Aber für beide gilt folgender Hinweis:
Schließe erst einen Gedanken ab, bevor du einen neuen Gedanken beginnst.
Versuche mithilfe sprachlicher Mittel, Zusammenhänge herzustellen. Benutze Wörter wie weil, also, folglich, daher usw., um einzelne Gedanken miteinander zu verbinden.
Stell dir vor, du würdest eine_r Freund_in von dem Thema erzählen. Was muss sie wissen, damit sie versteht, worum es geht? Welche Begriffe muss sie kennen, auf welche Zusammenhänge musst du sie hinweisen?
Verbringe nicht zu viel Zeit mit dem Grübeln über einzelnen Formulierungen. Zunächst einmal geht es darum, Gedanken zu Papier zu bringen. Ordne deine Gedanken den einzelnen Kapiteln zu. Aber schreibe sie nicht einfach lose hintereinander, sondern verknüpfe sie miteinander.
Lies jedes Mal, wenn du dich nach einer längeren Pause wieder an deinen Text setzt, den gesamten Text von vorne bis zum letzten Satz.
Jeder Tag beginnt also mit dem Lesen des aktuellen Textes. Auf diese Weise bist du immer auf dem aktuellen Wissensstand deiner Hausarbeit. Du weißt, wo sie noch Lücken hat und welche Kapitel bereits fertig sind. Vielleicht fällt dir beim Lesen auf, dass du etwas wichtiges vergessen hast? Ergänze es sofort!
Wenn du kontinuierlich an deinem Text arbeitest, ihn immer wieder liest und darüber nachdenkst, ihn anpasst und verbesserst, dann wächst er täglich. Er wird nicht nur länger, sondern auch ›gehaltvoller‹.
Leite die Leser_in durch deine Gedanken.
Erläutere zu Beginn eines jeden Hauptkapitels kurz, welche Argumentationsschritte du als nächstes vollziehen wirst. Diese wenige Sätze langen Einleitungen müssen gar nicht ausführlich sein. Sie sollten lediglich den Aufbau des Kapitels beschreiben. Sie dienen unter anderem dazu, dass du dich an deinen Fahrplan hältst und weißt, was du zu tun hast.
Korrigieren
Schritt 8: Gliederung überprüfen
Wenn alle Kapitel fertig sind, ist es an der Zeit, zu kontrollieren, ob du dich auch wirklich an deine Gliederung gehalten hast. Lies dir dazu nochmals die Einleitung durch. Passe sie gegebenefalls an.
Ist der Aufbau gleich geblieben?
Hast du alle Begriffe definiert?
Sind alle Zusammenhänge sichtbar geworden?
Prüfe auch, ob die Überschriften, das widerspiegeln, was du im Kapitel beschreibst. Manchmal ändert sich im Schreibprozess doch einmal die Richtung der Argumentation. Daher ist es wichtig, die Überschriften regelmäßig zu kontrollieren.
Schritt 9: Korrektur lesen
Das A und O eines guten Textes ist die intensive Auseinandersetzung mit ihm. Das gilt umso mehr für die eigenen Texte. Denn gerade die Autor_in ist für die eigenen Fehler und Unstimmigkeiten teilweise blind. Deshalb ist es gut, wenn der Text Zeit zum Reifen hat. Lass ihn also ruhig einmal ein paar Tage liegen.
Bitte eine Kommiliton_in, deine Hausarbeit zu lesen.
Hilfreich ist es auch, wenn du deinen Text anderen Menschen zum Lesen anvertraust. Bitte sie darum, dir Rückmeldungen zu geben, beispielsweise zu
Aufbau und Struktur
Sprache und Satzbau
Wortwiederholungen
Argumentation
Schritt 10: Abgeben 🙂
Nachdem alles korrigiert ist und du keine weiteren Änderungen mehr vornehmen wirst, speichere deine Hausarbeit als PDF. Mit diesem Format gehst du sicher, dass sich der Text und vor allem die Formatierung nach der Übertragung auf einen anderen Computer oder beim Ausdrucken in der Bibliothek nicht mehr verändert.