Hoeder: Wie Weiße unsere Welt zerstören
Auf der Lesung von Ciani-Sophia Hoeder, moderiert von Sarah Zerback, spricht die Autorin über Ökorassismus und darüber, wie weiße unsere Welt zerstören. Sie spricht Macht und Geld, Solidarität und Aufklärung und damit unser aller Rolle in dem ganzen Schlamassel an.
Rassismus und Klimawandel
Der Klimakollaps ist nicht mehr aufzuhalten. Die Ressourcenausbeutung von asiatischen und afrikanischen Menschen und ihrer Natur geht trotz global und lokal beobachtbarer Auswirkungen ungehindert weiter. Im weißen Umweltaktivismus spielt diese Tatsache jedoch so gut wie keine Rolle. Die Symbole westlicher Umweltbewegungen bedienen einen rassistischen blinden Fleck. Warum sonst verschreiben sie sich der Rettung des Polarbären, nicht aber der Rettung der Inuit.
Das mag unter anderem am racial empathy gap liegen. Gemessen wurde die physiologische Reaktion auf Verletzungen und das Resultat lautet: »We investigated the existence of a racial bias in the emotional reaction to other people’s pain and its link with implicit racist biases. Measuring participants’ physiological arousal, we found that Caucasian observers reacted to pain suffered by African people significantly less than to pain of Caucasian people.« (Racism and the Empathy for Pain on Our Skin)
Ökorassismus vs. Umweltrassismus
Der Begriff Ökorassismus ist im deutschsprachigen Raum noch relativ neu. Er beschreibt rassistische Strukturen, die über Umweltrassismus hinausgehen, und macht vor allem das Erleben von und in der Natur oder die Bewertung von Erholung in naturnahen Räumen analytisch greifbar.
Während also der Begriff Umweltrassismus vor allem »rassistische Diskriminierung bei der Umsetzung von Umweltregulierung, die überdurchschnittliche Belastung einzelner Gruppen durch Umweltverschmutzung oder der Ausschluss von Minderheiten bei umweltrelevanten Entscheidungsprozessen bezeichnet« (wikipedie.de), geht Ökorassismus analytisch noch einen Schritt weiter. Er beschreibt etwa, wie BIPoC Natur erleben, welche Bilder überhaupt mit Outdoor verbunden sind und wie Natur von verschiedenen Gruppen genutzt wird. Ursprünglich geht Umweltrassismus auf Benjamin Chavis zurück, der in einer Rede 1982 erstmals den Begriff environmental racism prägte.
Ein anschauliches Beispiel für Umweltrassismus ist die Wohnraumpolitik, durch die Menschen in Wohnumgebungen gezwungen werden, die etwa durch wenig Grün, wenig Naherholung und stattdessen mit hohem Verkehrsaufkommen und starker Schadstoff- und Lärmbelastung verbunden sind.
Ökorassismus ist also vor allem eine Frage von Klassismus. Bei ihrem Aufenthalt in den USA, genauer gesagt in LA, begegnet die Autorin »Ökorassismus auf Crystal Meth«. Dort wird schwarzen Menschen geraten, beim Joggen im öffentlichen Raum helle Kleidung und keinesfalls einen Hoodie zu tragen. Andernfalls erhöht sich die Gefahr, kriminalisiert und erschossen zu werden. Auch in Deutschland gibt es Regeln dafür, welche Körper in der Öffentlichkeit unhinterfragt akzeptiert werden und welche nicht.
Natur ist für BIPoC eben kein geschützter Erholungsraum, sondern nur ein weiterer rassistisch geprägter Raum. Allein in der Natur zu sein, fühlt sich für weiße anders an als für BIPoCs. Und auch Klimaaktivismus ist für BIPoCs mit mehr Risiken behaftet. Analog zu Rosa Parks spricht die Autorin davon, „auf den hinteren Sitzen des grünen Busses“ platziert zu werden.
Figth capitalism
Soziale Ungleichheit ist der Motor für Klimawandel. Um den nature gap und Ökorassismus zu überwinden, braucht es laut Ciani-Sophia Hoeder systemischen Wandel. Individueller Verzicht bringe wenig, weil sich Kapitalismus anpasse. Aber auch grüner Kapitalismus bedeute die Ausbeutung der Vielen. Als Alternativen nennt sie etwa Ökosozialismus oder degrowth. Die Frage laute also nicht, was wir verlieren würden, sondern was wir gewinnen könnten.
Zur Erinnerung und als Motivationshilfe: »Eine Studie der US-amerikanischen Politologin Erica Chenoweth ergab, dass es nur 3,5 Prozent der Bevölkerung auf der Straße braucht, um einen tiefgreifenden politischen Wandel einzuleiten. Besonders erfolgreich seien laut der Studie vor allem die gewaltfreien Kampagnen. In Deutschland wären 3,5 Prozent knapp drei Millionen Menschen. Das ist nicht viel.« (taz.de)
